Auf ein Wort …

… oder auch zwei.

Die Frage, die uns in den letzten Monaten zunehmend und überwiegend begegnet, ist die Frage nach der Zinsentwicklung.

Dieses, aber nicht nur dieses Thema beschäftigt uns natürlich auch selbst tagtäglich, hängen unsere Strategien, unsere Tätigkeit und deren Ergebnisse doch maßgeblich auch davon ab, wie die Zinsen sich entwickeln.

Nicht nur Zinsen sind ein Thema

Wenn wir aber nach der Zinsentwicklung gefragt werden und danach, ob z.B. ein Bauvorhaben noch finanzierbar ist oder nicht, müssen wir meist etwas weiter ausholen. Denn die Zinsentwicklung ist eben nicht das Einzige, auf das man als Bau-/Kaufwilliger seinen Fokus richten sollte. Vielmehr spielt auch die Entwicklung der Bau-/Handwerkerpreise eine Rolle, ebenso die Entwicklung der Baustoffpreise und Energiepreise oder die Entwicklung der Immobilienpreise für Bestandsimmobilien. Und wenn man mit dem Gedanken spielt, eine Immobilie zum Zwecke der Vermietung zu errichten oder anzuschaffen, sollte man seinen Blick auch auf die Entwicklung der Mieten richten.

Über den Tellerrand schauen

Grundsätzlich gilt: Es gibt in diesen Zeiten keine Patentrezepte.

Wir erleben zunehmend, dass in Fällen, in denen die Eigenkapitalquote eher gering ausfällt, eine Tendenz zum Abwarten besteht. Sei es gezwungenermaßen, weil unter derzeitigen Umständen eine Finanzierung schlicht und einfach nicht darstellbar ist, oder sei es vor dem Hintergrund, dass man auf niedrigere Zinsen und/oder auf niedrigere Preise hofft bzw. wartet oder auch warten sollte. Und schaut man über den Tellerrand, indem man die Entwicklung des Ukrainekrieges, der Energieversorgung, der Coronasituation, der Inflation und des Fachkräftemangels ins Auge fasst, wird erst recht deutlich, wie komplex binnen relativ kurzer Zeit z.B. die Umsetzung eines Bauvorhabens geworden ist.

Bauprojekte auf Eis

Diese Fragen stellen sich nicht nur privaten Bau-/Kaufwilligen. So stellen wir vermehrt fest, dass aus den genannten Gründen bereits fertig entwickelte Bauträgervorhaben auf Eis gelegt oder als Projekt zum Kauf angeboten werden. Das sind erste Auswirkungen der schwächeren Nachfrage auf Seiten der Eigennutzer und Kapitalanleger, wobei Letztere in den vergangenen Niedrigzinszeiten ja eher ihre Kreditsummen angelegt haben und trotzdem die Aussicht auf eine akzeptable Rendite hatten. Auch das zeigt, dass wir aus einer jahrelangen sehr „komfortablen“ Zinszone kommen. Vergleicht man das derzeitige Zinsniveau hingegen mit dem Zinsverlauf der vergangenen Jahrzehnte, bewegen wir uns auch jetzt noch auf relativ niedrigem Niveau. Diese Erkenntnis hilft aktuell nicht weiter. Sie kann aber für künftige Zeiten hilfreich sein, denkt man z.B. an diejenigen Zeitgenossen, die vielleicht den Niedrigzins-Zug verpasst haben, weil sie bei einem Zinssatz von 0,8 % p.a. immer och darauf spekuliert haben, dass es doch noch eine 0,7 oder 0,6 werden könnte.

Vorsicht mit Patentrezepten

Wer von sich behauptet, für die derzeitige Situation ein Patenrezept zu haben, muss sich fragen lassen, wie ernsthaft und belastbar diese Behauptung ist.

Die Einbindung von Bausparmodellen kann unter bestimmten Umständen und Annahmen durchaus Sinn machen, muss aber nicht immer die günstigste Variante sein. Und ja, Fördermittel spielen in diesen Zeiten, sofern nachhaltig verfügbar, natürlich zunehmend eine Rolle. Aber Fördermittel zum Nulltarif sind an bestimmte Voraussetzungen gebunden, die eben nicht alle Bau- oder Kaufwilligen erfüllen, gibt es also nicht ohne Weiteres für die breite Masse.

Lösungswege klären

OK, so weit die Problembeschreibung und die Feststellung, dass es keine Patenrezepte gilt. Was soll man als Bau-/Kaufwilliger aber tun?

Teilweise wird einem die Entscheidung schon durch die Banken abgenommen. Denn es ist ja eine einfache Rechnung, festzustellen, welche Mittel zum Leben einem bei aktueller Einkommenssituation nach Abzug von Zinsen, Tilgung und Rückstellung für Reparaturen noch übrigbleiben. Wird es da zu “eng”, sollten das alle Beteiligten deutlich ansprechen, um künftige existenzielle Probleme zu vermeiden. Deshalb kann es in diesen Fällen und auch dann, wenn es “gerade so” reichen würde, durchaus sinnvoll sein, nochmal abzuwarten. Dabei geht es nicht nur darum, auf bessere Zinsen oder niedrigere Preise zu arten. Vielmehr kann so eine Wartezeit auch dazu genutzt werden, auf welchem Wege auch immer die Eigenkapitalquote zu erhöhen. Das Eigenkapital, das in früheren Zeiten für eine Finanzierung mit bestimmten bonitätsanhängigen Quoten unabdingbar erforderlich war, hat in den vergangenen Niedrigzinsjahren nämlich ziemlich an Bedeutung verloren. Da ging es dann oft nicht mehr nur um eine 100%-Finanzierung. Vielmehr wurden, wenn es die Banken denn mitgemacht haben, gerne auch die Anschaffungsnebenkosten wie Provisionen, Steuern und Gebühren mitfinanziert, was das zu sog. 110%-Finanzierungen führte.

Und was bedeutet das jetzt konkret?

Es ist mit Sicherheit keine Lösung, das Thema grundsätzlich pessimistisch anzugehen. Man sollte aber den tatsächlichen Gegebenheiten Rechnung tragen und ein Immobilienvorhaben auf sehr solide Beine stellen, bevor mit der Umsetzung begonnen wird. Musterlösungen gibt es nicht, gefragt ist eine sehr intensive Beratung mit Ermittlung aller Möglichkeiten auf der einen Seite und Abwägung aller Vor- und Nachteile auf der anderen Seite. Sofern sich die Situation auf absehbare Zeit in puncto Zinsen und/oder Kosten nicht spürbar verbessert, sondern möglicherweise sogar noch verschlechtert, lässt sich die Zeit nutzen, indem man Schritt für Schritt an der Bildung oder Erhöhung von Eigenkapital arbeitet. Unabhängig davon sollte man fachkundig alle Finanzierungsarten, die in Frage kommen, prüfen lassen. Dazu zählen dann auch alle in Frage kommenden Förderarten, als Zuschüsse und/oder als zinsverbilligte Darlehen. Dabei kann auf bestehende Programme zurückgegriffen werden. Man sollte seine Augen aber auch offen haben für künftig kommende Förderprogramme. Denn wenn die Baukonjunktur schwächelt, hat die Politik bislang eigentlich immer mit neuen Förderprogrammen gegengesteuert. Auch in diesem Zusammenhang macht es Sinn, sich auf fachkundige Hilfe zu verlassen.

Bleibt aber immer noch die Frage, wie sich die Zinsen und Kosten entwickeln werden.

Hierzu kann derzeit niemand verlässliche im Sinne von belastbaren Prognosen abgeben. Bei den Zinsen sehen wir derzeit keine verlässlichen Anzeichen dafür, dass sie in geraumer Zeit sinken werden. Bei den Materialkosten gibt es bereits Anzeichen dafür, dass sie sich wieder verringern könnten. Die Handwerker sind derzeit noch damit beschäftigt, ihre vollen Auftragsbücher abzuarbeiten. Wenn diese Phase überwunden und die Nachfrage – wovon ausgegangen werden kann – rückläufig ist, kann auch damit gerechnet werden, dass die Handwerkerpreise sich wieder normalisieren. In welchem Umfang das geschehen wird, hängt aber entscheidend auch davon ab, wie sich die Material- und Energiepreise entwickeln. Und was die Preise für Bestandsimmobilien betrifft, sehen wir seit geraumer Zeit eine beständig rückläufige Entwicklung. Das ist eine notwendige Konsequenz u.a. der steigenden Zinsen, denn die Explosion der Immobilienpreise war u.a. eine unmittelbare Folge der niedrigen Zinsen. Der Zinsvorteil der vergangenen Jahre wurde nahezu vollständig durch teilweise völlig überzogene Immobilienpreise eliminiert. Diese Fehlentwicklung bedarf also einer Korrektur, um die Immobilienpreise wieder annähernd auf das Niveau zu bringen, das nach einschlägigen Bewertungskriterien als angemessen bezeichnet werden kann.

Immobilieneigentum hat Zukunft

Unter dem Strich wird es nach unserer Überzeugung also auch künftig möglich sein, ein Immobilienvorhaben in die Tat umzusetzen. Die Vorbereitung der Finanzierung wird sich aber durchschnittlich insgesamt aufwändiger gestalten und in bestimmten Fällen längere Zeit in Anspruch nehmen. Nicht mehr und nicht weniger.

Barbara Auer-Wachsmuth ist Geschäftsführerin der KreditManufaktur Bodensee.

Als Bankkauffrau blickt sie auf eine jahrzehntelange Erfahrung im Bereich der Finanzierung von privaten und gewerblichen Immobilienprojekten zurück.

Als Diplom-Sachverständige (DIA) für die Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken begleitet sie alle Finanzierungsvorhaben immer auch mit dem Blick auf die Werthaltigkeit der Objekte und steht den Kunden auch insoweit mit Rat und Tat zur Seite.